Zwei Drittel der Hochrisikopatienten für Osteoporose bleiben in Deutschland unbehandelt
Jährlich ereignen sich in Deutschland mehr als 831.000 Fragilitätsfrakturen. Das entspricht 95 Knochenbrüchen pro Stunde. Die Ursache dieser ist Osteoporose, eine Krankheit, bei der das Skelett schwach und fragil wird. Dies erhöht das Risiko für Fragilitätsfrakturen, welche wiederum zu Behinderungen, dem Verlust der Unabhängigkeit und, bei einigen Betroffenen, zu einem frühzeitigen Tod führen. Landesweit sind fast 5,6 Millionen Menschen von Osteoporose betroffen, davon 4,5 Millionen Frauen. Trotz der Verfügbarkeit von wirksamen und sicheren Medikamenten zur Minderung des Risikos von Fragilitätsfrakturen besteht eine enorme Behandlungslücke: Schätzungsweise bleibt Osteoporose bei 2,5 Millionen Frauen über 50 oder etwa 76 % aller Frauen mit einem hohen Frakturrisiko unbehandelt.
Im Rahmen des Programms Capture the Fracture® der International Osteoporosis Foundation (IOF), welches in Zusammenarbeit mit führenden deutschen Experten durchgeführt wird, wurde ein vor kurzem veröffentlichter Bericht namens 'Lösungen zur Frakturprävention in Deutschland' bereitgestellt. Der Bericht beschreibt die Belastung, die durch Osteoporose entsteht, und die gesundheitspolitische Landschaft in Deutschland und schlägt dabei Schlüsselstrategien zur Eindämmung der zunehmenden Zahl an kostspieligen Fragilitätsfrakturen vor.
Durch die alternde Bevölkerung steigen Frakturen im Zusammenhang mit Osteoporose und damit verbundene Kosten für das Gesundheitswesen rapide an
Ein Co-Autor des Berichts, Dr. Uwe Maus, Leiter für Endoprothetik und Osteologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Osteologie (DVO), erklärte:
"Fragilitätsfrakturen stellen bereits jetzt eine große gesundheitliche Belastung in der älteren Bevölkerung dar und sind mit steigenden Kosten verbunden. Diese beliefen sich 2019 auf bis zu 13,8 Milliarden Euro. Bis 2050 werden 30 % der deutschen Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Diese Zahl betrug 2006 noch 19 %. Der demographische Wandel wird die Fälle und die soziale Belastung durch Fragilitätsfrakturen weiter erhöhen und droht, die Kapazität unseres Gesundheitssystems zu übersteigen, einschließlich die der Bereitstellung von langfristiger Pflege. Es ist offensichtlich, dass diese drohende Krise dringend angegangen werden muss. Das beginnt mit der Umsetzung von Strategien zur Verbesserung der Behandlungsinitiierung und -weiterführung sowie mit dem Fokus auf die Prävention von wiederkehrenden Frakturen."
Die dringende Notwendigkeit, wiederkehrende Frakturen zu verhindern
Es ist entscheidend, dass jeder Patient, der eine Fraktur erleidet, identifiziert und behandelt wird, um das Risiko weiterer Frakturen zu mindern. Eine deutsche Studie mit 18.000 Frakturpatienten ergab, dass 16 % der Patienten in einer Nachbeobachtungszeit von einem Jahr Folgefrakturen erlitten. Laut einer weiteren Studie erlitten 30 % Patienten im Alter von 70 und älter in einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,2 Jahren mindestens eine Folgefraktur. Hüftfrakturen sind besonders besorgniserregend, da diese lebensbedrohlich und kostspielig sind und eine finanzielle Langzeitbelastung darstellen. In Deutschland werden 12 % aller Patienten mit einer Hüftfraktur innerhalb von 6 Monaten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in eine Pflegeanstalt eingewiesen, wobei das Risiko der Einweisung mit dem Alter exponentiell steigt. Etwa 21 % der Patienten mit Hüftfraktur sterben innerhalb von 6 Monaten und 28 % innerhalb von 12 Monaten nach der Fraktur.
Trotzdem erhalten nur 20 bis 40 % der deutschen Frauen innerhalb des ersten Jahres nach einer Osteoporose-Fraktur auch eine Anti-Osteoporose-Behandlung, und die Therapietreue (Compliance) bei der Einnahme dieser Medikamente ist gering; sie liegt schätzungsweise bei nur 17 bis 40 %. Ein multidisziplinärer Pflegedienst nach einem Knochenbruch, meistens bekannt unter Fracture Liaison Service (FLS), ist eine erwiesene Art und Weise, sicherzustellen, dass diese Hochrisikopatienten identifiziert werden und die Frakturnachsorge erhalten, die sie benötigen, um eine gesunde Mobilität zurückzugewinnen und zukünftige Brüche zu vermeiden. Deutschland hinkt derzeit bei der Umsetzung der FLS hinterher, denn diese sind bislang nur in 1-10 % der Krankenhäuser, die Frakturpatienten behandeln, vorhanden.
Die Lücken und verpassten Chancen überwiegen den positiven Bedingungen für ein effektives Vorgehen
Deutschland hat mehrere positive Voraussetzungen für einen effektiven Umgang mit Osteoporose, wie zum Beispiel die allgemein umgesetzten Verwaltungsrichtlinien, eine robuste Datensammlung durch das nationale Register für Hüftfraktionen und eine volle Kostenerstattung für Osteoporose-Medikamente durch die Krankenkassen. Außerdem hat die Einführung eines Disease Management Programs (DMP, dt. Behandlungsprogramm) für Osteoporose durch die den BundesGesundheitsminister Osteoporose zu Recht als eine der wichtigsten chronischen und fortschreitenden Erkrankungen eingestuft. Das bedeutet, dass Patienten, die mit Osteoporose diagnostiziert werden und Anti-Osteoporose-Medikamente benötigen, seit ungefähr 2023 zumindest theoretisch die Möglichkeit haben, im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms betreut zu werden.
Dr. Peyman Hadji, Professor für Geburtshilfe, Gynäkologie und Endokrinologie am Frankfurter Hormon und Osteoporosezentrum sowie an der Philipps-Universität Marburg und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der IOF an wissenschaftlichen Beratern, erklärte:
"Die Anerkennung des DMP war ein wichtiger Schritt nach vorne, und es ist schade, dass organisatorische und Finanzierungsprobleme seine Weiterführung und die Anerkennung der Krankheit gehemmt haben. Trotzdem ist das nur eine der wenigen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind. Es gibt derzeit keine konsistente Implementierung eines robusten Behandlungspfades im Rahmen der Implementierung der DVO S-III Leitlinien (2023), um eine effektive Betreuung nach der Entlassung zu gewährleisten. Dies wird durch die Teilung der Krankenhaus- und Primärversorgung bei der Diagnose und der Behandlung von Osteoporose verstärkt. Weiter erschwert wird es durch das Fehlen eines elektronischen Austauschsystems, was bedeutet, dass zentrale Informationen wie zum Beispiel die Ergebnisse der Bildgebung, vorherige Frakturen und verschriebene Medikamente eines Patienten nicht zwischen Krankenhäusern und Privatpraxen ausgetauscht werden."
Der neue Bericht hat vier zentrale Empfehlungen ausgesprochen, mit denen die wichtigsten Hindernisse angegangen werden sollen. Dies umfasst den Bedarf an größeren finanziellen Anreizen für die Behandlung von Osteoporose und die Entwicklung von FLS; die Optimierung des Patienten- und Behandlungspfades; eine größere Bereitstellung von FLS für höhere Screening-, Diagnose- und Behandlungsraten nach Frakturen; und die Verbesserung des öffentlichen Bewusstseins für Osteoporose.
Dr. Philippe Halbout, CEO der International Osteoporosis Foundation, dankte vielen nationalen Experten, die mit der Capture the Fracture®-Policy Group der IOF zusammenarbeiteten, um diese Empfehlungen zu veröffentlichen, und fügte hinzu:
"Diese wertvolle Ressource dient als Richtlinie für effektive Lösungen, die, wenn sie zusammen umgesetzt werden, zu weniger Frakturen, geringeren Kosten für das Gesundheitssystem, besseren Ergebnissen bei Patienten und, vor allem, zu einer besseren Gesundheit, Mobilität und Lebensqualität für die ältere Bevölkerung in Deutschland führen würden."
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Über den Bericht
Der Bericht 'Lösungen zur Prävention von Fraktionen' in Deutschland wurde von Experten der Capture the Fracture®-Policy Group der IOF und von den folgenden Experten verfasst: Dr. Björn Bühring (Krankenhaus St. Joseph), Prof. Wolfgang Böcker (Ludwig-Maximilians-Universität München), Prof. Peyman Hadji (Frankfurter Hormon und Osteoporsezentrum & Philipps Universität Marburg), Dr. Eric Hesse (Universität LMU München), Prof. Andreas Kurth (St. Marien Krankenhaus Mainz), Dr. Uwe Maus (Universitätsklinikum Düsseldorf), Prof. Christopher Niedhart (Klinik Christopher Niedhart), Dr. Stephan Semisch (Medizinische Hochschule Hannover), Dr. Richard Stange (Institut für Muskuloskelettale Medizin)
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Über Capture the Fracture®
Capture the Fracture® (CTF) ist eine Initiative mit mehreren Stakeholdern, die von der International Osteoporosis Foundation (IOF) geleitet wird, um die Umsetzung von Koordierungsprogrammen zur Frakturnachsorge zu fördern, wie zum Beispiel die Fracture Liaison Services (FLS) zur Prävention von Folgefrakturen. Die CTF-Initiative, die 2022 ihr 10-jähriges Bestehen feierte, hat das Ziel, Veränderungen auf lokaler und regionaler Ebene voranzutreiben, um die Prävention von Folgefrakturen zu priorisieren. Sie setzt weltweite Standards für bewährte Verfahren und erkennt durch ihren Best-Practice-Rahmen Fracture Liaison Services (FLS) an. Die CTF bietet außerdem essenzielle Ressourcen und Dokumentationen, um die Priorisierung der Prävention von Folgefrakturen voranzutreiben und dazu beizutragen, die Gewährleistung und die Qualitätsverbesserung von FLS zu fördern. Darüber hinaus werden Mentorenprogramme angeboten, die die Entwicklung von FLS auf lokaler Ebene unterstützen.
Die Capture the Fracture®-Partnerschaft, eine globale Initiative, die 2020 eingeführt wurde, ist eine Zusammenarbeit zwischen der International Osteoporosis Foundation (IOF), Amgen und UCB, und eine Erweiterung des Capture the Fracture-Programms, das seit 2012 besteht. Sie soll die weltweite gesundheitliche Belastung durch Osteoporose durch zusammenhängende Aktivitätsbereiche senken, indem sie einen umfassenden Top-down- und Bottom-up-Ansatz verfolgt und Stakeholder auf internationaler, nationaler und lokaler Ebenen in priorisierten Ländern im Asien-Pazifik-Raum, Europa, Lateinamerika und dem Nahen Osten koordiniert. Das Ziel besteht darin, die schnellere Einführung von Koordinierungsprogramme zur Frakturnachsorge überall auf der Welt zu priorisieren und voranzutreiben.
Derzeit umfasst das CTF-Netzwerk mehr als 920 FLS in 57 Ländern weltweit. FLS können sich über die Online Plattform Best Practice Questionnaire auf der CTF-Website um eine kostenlose Bewertung und Anerkennung bewerben. https://www.capturethefracture.org #CaptureTheFracture
Über die IOF
Die International Osteoporosis Foundation (IOF) ist die weltweit größte Nichtregierungsorganisation für die Prävention, Diagnose und Behandlung von Osteoporose und zusammenhängende Muskel-Skelett-Erkrankungen. Mitglieder der IOF, einschließlich Ausschüsse von wissenschaftlichen Forschern sowie mehr als 330 Patienten-, medizinische und Forschungsorganisationen, arbeiten zusammen, um die Prävention von Frakturen und eine gesunde Mobilität zu einer weltweiten Priorität im Gesundheitssystem wird. https://www.osteoporosis.foundation @iofbonehealth